Doppelte Wesentlichkeitsanalyse
15.01.2024

CSRD-Herausforderungen meistern: Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse in sieben Schritten

Unternehmen, die von der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) betroffen sind, müssen relevante Themen für ihren Nachhaltigkeitsbericht mit einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse identifizieren. Dabei ermitteln sie, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf das Unternehmen und wie sich ihre Tätigkeiten auf Umwelt und Gesellschaft auswirken. Das Konzept haben wir bereits in diesem Blogartikel beleuchtet. Jetzt wollen wir in die Praxis kommen ­– mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung für die doppelte Wesentlichkeitsanalyse.

In 7 Schritten durch die doppelte Wesentlichkeitsanalyse

1. Verständnis für doppelte Wesentlichkeit schaffen

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse läuft in jedem Unternehmen ein wenig anders ab. Je nach fachlicher Expertise im Unternehmen sollten externe Nachhaltigkeits- und ESG-Berater:innen hinzugezogen werden. Eine qualitativ hochwertige Analyse ist wichtig, denn sie bildet die Basis für die Nachhaltigkeitsberichte der kommenden Jahre. Hilfreich ist die Prozessbegleitung durch ESG-Expert:innen auch deshalb, weil künftig Wirtschaftsprüfer den Prozess der doppelten Wesentlichkeitsanalyse überprüfen werden.

Zunächst ist es für Sie und Ihr Nachhaltigkeitsteam aber wichtig, sich mit dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit tiefergehend auseinanderzusetzen. Hier einige Fragen, die in dieser ersten Phase hilfreich sind:

  • Sind wir mit dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit vertraut? Haben alle im Team verstanden, welche Aspekte (Finanzielle und Auswirkungs-Wesentlichkeit; Auswirkungen, Risiken und Chancen) beachtet werden müssen?
  • Wie sind die Rahmenbedingungen unseres Unternehmens, welche Themen sind aufgrund des Umfelds, der Branche und Produkte schon von vornherein relevant?
  • Welche vor- und nachgelagerten Wirtschaftsaktivitäten von der Rohstoffgewinnung über den Verbrauch bis zur Entsorgung sind Bestandteil der Wertschöpfungskette?
  • Verstehen wir alle, wie der Prozess der doppelten Wesentlichkeitsanalyse aussehen sollte, was unser Ziel ist, wie wir vorgehen werden?
  • Was sind wichtige Anspruchsgruppen (z.B. Betroffene von Auswirkungen; Gruppen mit Informationsinteresse), mit denen wir zusammenarbeiten und an die wir uns wenden?
  • Haben wir das Managementteam mit an Bord geholt und ausreichend informiert? Können wir auf deren Commitment zählen?

CSRD: Neue Vorgaben für Nachhaltigkeitsberichte

Im Rahmen des Green Deal treibt die EU zahlreiche Maßnahmen für die Nachhaltige Transformation voran – u.a. die CSRD. Alle Einzelheiten inklusive der aktuellen Neuerungen erhalten Sie in unserem Factsheet.

2. Roadmap für die doppelte Wesentlichkeitsanalyse erstellen

Sind alle mit dem Thema vertraut und haben einen Überblick erhalten, dann geht es an die konkrete Planung des Projekts. In drei Themenbereichen sollten grundlegende Entscheidungen getroffen werden:

Verantwortlichkeiten: Klären Sie, wer aus Ihrem Team wofür verantwortlich ist. Überlegen Sie auch, für welche Aufgaben externe ESG-Berater:innen hinzugezogen werden sollten.

Zeit- und Ressourcenplan: Die Analyse der doppelten Wesentlichkeit braucht Zeit. Erstellen Sie einen Zeitplan und überlegen Sie genau, welche personellen und monetären Ressourcen Sie benötigen. Planen Sie so, dass Sie mit allen wichtigen Stakeholdern sprechen, das Management in den Prozess miteinbeziehen und am Ende auch die Ergebnisse gut abstimmen können. Denken Sie all das im Kontext des Nachhaltigkeitsberichts: Haben Sie bei der Berichterstellung die doppelte Wesentlichkeitsanalyse schon mitbedacht oder braucht es noch eine Anpassung des Projektplans?

Quellen und Ansprechpartner:innen: Überlegen Sie, durch welche Methoden und mit welchen Ansprechpartner:innen Sie die Wesentlichkeitsanalyse durchführen wollen. Ansatzpunkte für mögliche relevante Themen geben Ihnen die ESRS und andere Rahmenwerke sowie Branchenstandards und Erkenntnisse aus dem Unternehmensumfeld.

3. Identifikation der Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs)

Ein Nachhaltigkeitsaspekt der ESRS ist dann wesentlich und berichtspflichtig, wenn die dazugehörigen Auswirkungen, Risiken oder Chancen (Impact, Risk and Opportunity – IROs) als wesentlich erachtet werden. Ein Beispiel: Ist die Verschmutzung des Abwassers durch verwendete Substanzen eine wesentliche Auswirkung, muss zu den Datenpunkten im dazu passenden Standard E2 “Verschmutzung” berichtet werden. Es ist sinnvoll, zuerst die IROs zu identifizieren und zu bewerten, sodass sich daraus am Ende die wesentlichen Themen der ESRS ergeben.

Der Bottom-Up-Ansatz im Detail:

  • Identifizieren Sie alle tatsächlichen und potentiellen Auswirkungen, die Ihr Unternehmen oder Wirtschaftsaktivitäten in der Wertschöpfungskette auf Stakeholder haben oder haben könnten (Impact Materiality bzw. Inside-Out-Perspektive).
  • Definieren Sie außerdem, welche finanziellen Chancen und Risiken sich aus Nachhaltigkeitsthemen für Ihr Unternehmen ergeben könnten (Financial Materiality bzw. Outside-In-Perspektive). Hierbei können Sie auch auf den Ergebnissen des Impact-Assessments aufbauen.
  • Schärfen Sie die IROs, damit sie so konkret wie möglich werden.

Aber wie kommen Sie nun zu den IROs?

Die IROs können sich aus unterschiedlichsten Quellen ergeben, wie beispielsweise durch Branchen- oder Unternehmensspezifika und Gesprächen mit verschiedenen Stakeholdergruppen. Hierbei ist ein Sparring mit einem externen ESG-Berater:innen hilfreich. Zusätzlich können Ihnen auch interne Daten aus Hinweisgebersystemen, Arbeitsschutzinformationen oder Diskriminierungsfällen Aufschlüsse zu relevanten ESG-Themen in Ihrem Unternehmen geben.

Die ESRS-Standards im Überblick

Die EU führt mit der CSRD auch einheitliche europäische Standards ein. Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sollen Nachhaltigkeitsberichte aussagekräftiger und vergleichbarer machen. Alle Infos gibt es im Whitepaper.

4. Abstimmung und Schärfung der IROs mit dem Management

Stimmen Sie die vorläufigen Ergebnisse mit dem Management Ihres Unternehmens ab. Die Führungsebene hat eine andere Sicht auf das Unternehmen und kennt auch andere Perspektiven, wie die von Investor:innen, der Mitbewerber oder Kunden. Und schließlich sollte die doppelte Wesentlichkeitsanalyse am Ende auch vom ganzen Unternehmen mitgetragen werden und Basis für die Strategieentwicklung sein – dazu muss auch das Management an Bord sein.

5. Festlegung der wesentlichen Themen

Um die IROs CSRD-konform als wesentlich einzustufen, müssen diese nach den Kriterien der ESRS bewertet werden. Unter anderem bewerten Sie die IROs nach

  • Ausmaß,
  • Umfang,
  • Unabänderlichkeit und
  • Eintrittswahrscheinlichkeit.

Aufgepasst: Je nach Art bzw. Kategorie des IROs (z.B. negative Auswirkung oder potenzielle Auswirkung) sind andere Bewertungsmaßstäbe heranzuziehen.

Im Zuge der Bewertung definieren Sie auch für Ihr Unternehmen geeignete Schwellenwerte. Sie helfen Ihnen dabei, die tatsächlich wesentlichen IROs für Ihren Nachhaltigkeitsbericht festzulegen. Denn welche Standards der ESRS für Ihren Bericht obligatorisch sind, hängt davon ab, ob Sie dazu wesentliche Auswirkungen, Risiken oder Chancen identifiziert haben. Themen, zu denen Sie keine wesentlichen IROs identifiziert haben, fallen aus der Berichtspflicht heraus.

Am Ende haben Sie nun alle Themen, die entweder aus finanzieller oder Auswirkungs-Perspektive als wesentlich bewertet wurden. Die Ergebnisse können Sie grafisch in einer Wesentlichkeitsmatrix oder auch in einer klassischen Tabelle darstellen. Laut CSRD ist eine grafische Darstellung der Wesentlichkeitsanalyse nicht verpflichtend.

Wesentlichkeitsmatrix, finanzielle Wesentlichkeit, Wirkungsmaterialität, Double Materiality

6. Definition von Maßnahmen

Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse steht nicht für sich selbst: Die wesentlichen IROs dienen Ihnen zunächst als Basis für Ihren Nachhaltigkeitsbericht. Dieser zeigt den Status quo und mit den Jahren auch die Entwicklung Ihres Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit. Darüber hinaus ist die Wesentlichkeitsanalyse die Grundlage für Ihre Nachhaltigkeitsstrategie, in der Sie Ziele und Maßnahmen definieren. Übrigens: Für die Definition von Zielen und Maßnahmen liefern Ihnen die ESRS bereits wertvollen Input.

Wie erstelle ich einen Nachhaltigkeitsbericht?

Ein aussagekräftiger Nachhaltigkeitsbericht kann eine ganz schöne Herausforderung sein. Wo fängt man an? Welche Daten sind wichtig? Und wie soll der CSR-Bericht veröffentlicht werden? Unser praxisorientiertes Playbook beantwortet Ihre Fragen.

7. Dranbleiben, adaptieren, wiederholen

Ein abschließender Tipp von uns: Sehen Sie die doppelte Wesentlichkeitsanalyse nicht als einmaliges Projekt an, sondern als Tool, das Sie in Ihrer Nachhaltigkeitsarbeit begleiten wird. Bei signifikanten Änderungen im Unternehmen werden Sie die doppelte Wesentlichkeitsanalyse komplett wiederholen müssen. Üblicherweise überarbeiten Sie einzelne Teile und passen die Analyse jährlich an. Damit bleiben die wesentlichen IROs aktuell und die Entwicklungen Ihres Unternehmens werden messbar.

Unterstützung bei der Wesentlichkeitsanalyse? Wir haben die Expert:innen für Sie

Wenn Sie das Gefühl haben, fachliche und beratende Unterstützung würde Sie bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse voranbringen, sind wir gerne für Sie da. Wir haben bereits viele Kunden durch diesen umfassenden Prozess begleitet und freuen uns, auch Sie auf Ihrer Nachhaltigkeitsreise begleiten zu dürfen.